Videobausteine zum Argumentieren und Schreiben für Philosophiestudierende 

VON ANJA BERNINGER UND ANNE BURKARD (GÖTTINGEN) 

Wie können Philosophiestudierende in ihren ersten Seminaren dabei unterstützt werden, sich die häufig anspruchsvollen philosophischen Texte zu erschließen und selbst erste Essays und Hausarbeiten zu verfassen? Insbesondere in Studiengängen, die keine gesonderte Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten vorsehen, kann es für Lehrende mit einer Reihe von Herausforderungen verbunden sein, Studierenden angemessen Unterstützung bei diesem Unterfangen zu bieten: Die Entwicklung geeigneter Materialien ist arbeitsintensiv, die Studierenden bringen oft sehr unterschiedliche akademische Lese- und Schreibfähigkeiten mit und im Seminar sollen eigentlich die jeweiligen philosophischen Gegenstände im Zentrum stehen. 

Erklärvideos zur Unterstützung der Lehre in Seminaren 

Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung haben wir im Rahmen eines Projekts an der Universität Göttingen Videobausteine entwickelt, die eine Hilfestellung für Philosophiestudierende und Studierende verwandter Studienfächer in den ersten Semestern darstellen. Sie sind für die Einbindung in den Seminarkontext – und damit nicht als reiner Selbstlernkurs – konzipiert. Die Reihe besteht aus fünf folienbasierten Erklärvideos mit einer Länge von 8 bis 20 Minuten. Darin werden einige zentrale Methoden für die Auseinandersetzung mit philosophischen, insbesondere argumentativen Texten und für das Schreiben eigener philosophischer Essays und Hausarbeiten kompakt dargestellt. Zugleich werden sowohl Ergebnisse und Methoden der Schreibdidaktik als auch der Argumentationsdidaktik aufgegriffen. Die Bausteine setzen keine Logik-Kenntnisse voraus und arbeiten selbst ohne formale Methoden.

Es bietet sich an, die Videos so in Seminare zu integrieren, dass die Studierenden sie vorbereitend anschauen und auf diese Weise in den Sitzungen der Fokus unmittelbar auf die Anwendung und Vertiefung anhand der jeweiligen Seminarinhalte gelegt werden kann. Auch andere, stärker individualisierte Einsatzmöglichkeiten sowie die Nutzung nur einzelner Elemente aus der Reihe sind selbstverständlich möglich. 

Ergänzend zu den Videos werden Skripte zum Nachlesen sowie knappe Kommentare zur Verfügung gestellt, die Lehrenden eine Einordnung bieten und Hinweise auf weiterführende Literatur enthalten. Alle Materialien sind als Open Educational Ressources (OER) hier auf der Plattform Twillo zum Herunterladen zu finden. 

Bausteine zu Grundlagen des philosophischen Lesens, Schreibens und Argumentierens 

Die Videoreihe besteht aus vier Bausteinen, deren thematische Schwerpunkte wir kurz vorstellen. In Baustein 1 geht es um „Argumente in philosophischen Texten und eigenen Arbeiten“. Dabei wird die Philosophie als Gesprächszusammenhang charakterisiert, an dem die Studierenden im Rahmen von Seminaren und beim Schreiben eigener Texte teilnehmen. Dieses Gespräch wird näher durch Beispiele für typische philosophische Fragen sowie durch seine primär argumentative Ausrichtung charakterisiert. Philosophische Arbeiten werden als problemorientierte Texte bestimmt, in denen systematische oder interpretatorische Fragen verhandelt werden (vgl. Filius/Mischer 2018, S. 49-64). 

Baustein 2 adressiert das „Lesen philosophischer Texte mit Hinblick auf das eigene Schreiben“. Das Ziel dieses Bausteins ist die Förderung zentraler akademischer Lesekompetenzen. Eine leitende Annahme ist hierbei die wohl breit geteilte Erfahrung, dass nicht nur das Schreiben, sondern auch das Lesen philosophischer Texte viele Studienanfänger:innen vor große Herausforderungen stellt. Im Rahmen des Videos wird die Unterscheidung zwischen zwei Formen des Lesens thematisiert: das Lesen in Bezug darauf, „was der Text sagt“ und „was der Text tut“ (vgl. Bruffee 1993, 154-167). Die Analyse der Textfunktionen kann zugleich einen wichtigen ersten Schritt darstellen, um die einzelnen Teile einer Argumentation in einem philosophischen Text zu identifizieren. Weiterhin verdeutlicht das Video, dass und wie das Lesen eng mit dem Schreiben eigener Texte verzahnt sein kann, und es werden Übungen dazu vorgestellt. 

Baustein 3 umfasst zwei Videos. Das erste führt auf informeller Ebene in das „Erstellen von Argumentationsdiagrammen“ ein und stellt in Verbindung damit einige weitere argumentationstheoretische Grundlagen vor, die die Auseinandersetzung mit (philosophischen) Argumenten und Debatten unterstützen können. Anhand von Beispielen werden zentrale Schritte für die Erstellung eines Argumentationsdiagramms erläutert – von der präzisen und wohlwollenden Formulierung einer These über die Identifikation und Explikation von Begründungen bis hin zu einer informellen Prüfung der Begründungsbeziehungen (vgl. Betz 2020 und Cullen 2024). Das zweite Video des Bausteins geht näher darauf ein, wie Studierende „Argumentationsdiagramme für das eigene philosophische Schreiben nutzen“ können. Hierbei geht es insbesondere darum, die Studierenden dabei zu unterstützen, eigene philosophische Positionen zu formulieren und diese in Auseinandersetzung mit einschlägiger Literatur argumentativ zu entwickeln. Dazu werden verschiedene kreative Schreibübungen vorgestellt (vgl. Bean/Melzer 2021). 

Baustein 4 gibt Studierenden Hinweise und stellt Übungen dazu vor, wie sie eigene „Philosophische Texte überarbeiten“ können, unter anderem mithilfe von angeleitetem Peer-Feedback. Dabei werden besonders die Bedeutung einer mehrschrittigen Textüberarbeitung herausgestellt und der Fokus auf die Ausschärfung der argumentativen Struktur eigener Texte gelegt (vgl. Elbow/Belanow 1989 und Murray 2001). 

Entstehungskontext und Dank 

Die Videobausteine wurden im Wintersemester 2023/24 in Einführungsseminaren an der Universität Göttingen eingesetzt, evaluiert und anschließend überarbeitet. Gefördert wurde das Projekt durch das Land Niedersachsen in der Förderlinie „Innovative Lehr- und Lernkonzepte: Innovation plus“. Für ihr hilfreiches Feedback zu früheren Fassungen der Bausteine danken wir herzlich den Teilnehmenden des Proseminars „Fragen der Ethik“ sowie unseren Kolleg:innen Aline Dammel, Jörg Schroth und Stephanie Weber-Schroth.


Literatur 

Bean, John C./Melzer, Dan (2021): Engaging Ideas. The Professor‘s Guide to Integrating Writing, Critical Thinking and Active Learning in the Classroom. Hoboken: Jossey-Bass.

Betz, Gregor (2020): Argumentationsanalyse. Eine Einführung. Stuttgart: Metzler.

Bruffee, Kenneth A. (1993): A Short Course in Writing: Composition, Collaborative Writing, and Constructive Reading. 4. Aufl., London: Longman.

Cullen, Simon (2024): Handy Hints for Making Arguments. Philmaps, URL: https://maps.simoncullen.org/hints (zuletzt 04.07.2024).

Elbow, Peter/Belanoff, Pat (1989): Sharing and Responding, New York: Random House.

Filius, Ariane/Mischer, Sibille (2018): Philosophische Texte schreiben im Studium. Paderborn: Wilhelm Fink.

Murray, Donald M. (2001): The Craft of Revision, 4. Aufl., Boston: Thomson Heinle.


Zu den Personen 

Anja Berninger hat Philosophie in Bonn, Nanjing und Berlin studiert und an der Universität Stuttgart promoviert. Am writers‘ studio in Wien hat sie eine einjährige Zusatzausbildung in prozessorientierter Schreibdidaktik absolviert. Aktuell ist sie als freiberufliche Trainerin für wissenschaftliches Schreiben sowie Logik und Argumentation tätig. 

Anne Burkard ist Professorin für Didaktik der Philosophie und das Fach Werte und Normen an der Georg-August-Universität Göttingen. Derzeit befasst sie sich im Rahmen des wissenschaftlichen Netzwerks „Argumentieren in der Schule“ mit der Förderung argumentativer Fähigkeiten im Philosophie- und Ethikunterricht. In den Projekten „Philovernetzt“ und „Denkerinnen, die Schule machen“ arbeitet sie mit Kolleg:innen daran, die Vielfalt der Philosophie für den Unterricht besser zugänglich zu machen. 


Veröffentlicht unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.


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