Themenschwerpunkt „Künstliche Intelligenz in der philosophischen Hochschullehre“

VON ANNE BURKARD (GÖTTINGEN), DAVID LAUER (KIEL), DAVID LÖWENSTEIN (DÜSSELDORF) UND ALMUT KRISTINE VON WEDELSTAEDT (BIELEFELD)

Im November 2022 wurde ChatGPT einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Seitdem ist ins allgemeine Bewusstsein gerückt, dass es Large Language Models (LLMs) gibt – Anwendungsformen der Künstlichen Intelligenz (KI), mit denen unter anderem versucht wird, menschliches Sprechen und Schreiben nachzuahmen. Es ist so beeindruckend wie – manchmal – erschreckend, wie gut die Nachahmung gelingt. Von Version zu Version sieht man zudem einen deutlichen Fortschritt in den Modellen. Sie werden im Allgemeinen immer besser und erscheinen deshalb für viele Anwendungen immer einsatzfähiger. In jedem Fall verfestigt sich der Eindruck, dass man an diesen Modellen nicht vorbeikommt, weder im Alltag noch in den Schulen und Hochschulen, und dementsprechend auch nicht im Fach Philosophie.

In vielen Diskussionen über dieses Thema geht es um sehr allgemeine Fragen, etwa um Prüfungsformen und technische Grundlagen. Hier sind bereits wertvolle Diskussionen im Gange und auch viele hilfreiche Texte erschienen – beispielhaft sei Andreas Fleischmanns Beitrag “ChatGPT in der Hochschullehre” genannt, der bereits 2023 Open Access im Neuen Handbuch Hochschullehre veröffentlicht wurde. Doch wie sich die technischen Entwicklungen ganz konkret auswirken (sollten), und noch dazu in einem bestimmten Fach wie der Philosophie, bleibt am Ende zu oft eher unklar.

In einem neuen Schwerpunkt auf LehrGut möchten wir uns deshalb der KI im Allgemeinen und LLMs im Besonderen widmen, und zwar mit Blick auf ihren Einsatz für das Lehren und Lernen der Philosophie. 

Wie kann man diese Modelle in das philosophische Arbeiten integrieren? Wozu kann man sie konkret nutzen? Wozu sollte man sie auf keinen Fall nutzen? Wie verändern sich grundlegende Praktiken wie das Lesen philosophischer Texte, wenn man einfach ChatGPT nach einer Zusammenfassung fragen kann? Was muss man können, um LLMs sinnvoll einzusetzen? Was muss man also auch Studierenden beibringen, damit diese sie sinnvoll einsetzen können? Oder sollte man den Einsatz der Modelle für das akademische Schreiben gleich ganz verbieten? Welche Herausforderungen und Lösungsansätze bestehen für Prüfungen im Fach? Ist der Unterschied zum Arbeiten ohne LLMs überhaupt so groß, wie oft pauschal angenommen wird? Wofür kann man sie einsetzen, um das eigene Lehren zu erleichtern? Um Fragen wie diese soll es im neuen Themenschwerpunkt gehen.

Die Arbeit mit LLMs und anderen KI-Anwendungen befindet sich in der philosophischen Hochschullehre gegenwärtig noch in einer Phase des Ausprobierens. Studierende experimentieren damit und Lehrende müssen das ebenfalls tun – schon allein, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie leistungsfähig die Anwendungen sind. Ein Erfahrungsaustausch kann helfen, die Möglichkeiten und Grenzen der Arbeit mit den neuen Werkzeugen besser zu beurteilen. Das ist für die Philosophie essentiell, weil philosophisches Arbeiten wesentlich Arbeiten mit Sprache ist, sei es beim Sprechen oder Schreiben.

Daher möchten wir unsere stehende Einladung, Beiträge für LehrGut einzureichen, an dieser Stelle besonders für den nun beginnenden Schwerpunkt zu KI in der philosophischen Lehre wiederholen. Wir freuen uns über Beiträge mit philosophischen Reflexionen oder auch einfach nur Erfahrungsberichte, vor deren Hintergrund sich interessante Fragen stellen oder hilfreiche Vorschläge formulieren lassen.

Die Beiträge werden wie immer im Rahmen des regulären Blog-Programms erscheinen und einen Hinweis auf den Themenschwerpunkt enthalten. Auch im Themen-Archiv sind sie auf einer eigenen Seite zum Schwerpunkt auffindbar.


Zu den Personen

Anne Burkard ist Professorin für Didaktik der Philosophie und das Fach Werte und Normen an der Georg-August-Universität Göttingen. Sie befasst sich unter anderem im Rahmen des wissenschaftlichen Netzwerks „Argumentieren in der Schule“ mit der Förderung argumentativer Fähigkeiten im Philosophie- und Ethikunterricht. In den Projekten „Philovernetzt“ und „Denkerinnen, die Schule machen“ arbeitet sie mit Kolleg:innen daran, die Vielfalt der Philosophie für den Unterricht besser zugänglich zu machen. Sie ist Mitbegründerin und Redaktionsmitglied bei LehrGut.org.

David Lauer, promoviert und habilitiert an der Freien Universität Berlin, lehrt Philosophie als Privatdozent und unbefristeter wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Aufgabenschwerpunkt Lehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Sein Arbeitsgebiet ist die Theoretische Philosophie mit den Themenschwerpunkten Sprache, Verstehen, Intentionalität, Selbstbewusstsein und Sozialität des Geistes. Regelmäßig schreibt er philosophische Beiträge für Zeitschriften und die Sendung „Sein und Streit“ auf Deutschlandfunk Kultur. Er ist Mitbegründer und Redaktionsmitglied bei LehrGut.org.

David Löwenstein lehrt Philosophie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seine Interessen liegen vor allem in verschiedenen Bereichen der theoretischen Philosophie und der Didaktik der Philosophie. Er leitet das Wissenschaftliche Netzwerk „Argumentieren in der Schule“ und ist Teil des interaktiven Public-Philosophy-Projekts „denXte“, vor allem als Initiator, Koordinator und Co-Host des Podcasts „mitgedacht“. Er ist Mitbegründer und Redaktionsmitglied bei LehrGut.org.

Almut Kristine von Wedelstaedt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Abteilung Philosophie der Universität Bielefeld. Dort ist sie zuständig u.a. für Studienorganisation, Studiengangsentwicklung und Geschäftsführung der Abteilung. Philosophisch arbeitet sie im Bereich der Praktischen Philosophie, momentan meist zu Fragen der Sexualphilosophie. Sie ist Mitbegründerin und Redaktionsmitglied bei LehrGut.org.


Veröffentlicht unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.


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