VON ANNE BURKARD (GÖTTINGEN), DAVID LAUER (KIEL), DAVID LÖWENSTEIN (DÜSSELDORF) UND ALMUT KRISTINE VON WEDELSTAEDT (BIELEFELD)
Wie können Studierende unterstützt werden, die als erste in ihrer Familie studieren? Welche Ansätze gibt es generell dafür, heterogene Studierendengruppen mit ihren jeweiligen Potenzialen und Unterstützungsbedarfen in der Lehre stärker zu berücksichtigen? Wie können Lehrende vorgehen, die philosophische Stimmen aus nicht-westlichen Traditionen in ihre Veranstaltungen integrieren möchten, auch wenn sie über keine spezifische Expertise in diesen Traditionen verfügen? Auf welche Weise lassen sich in Veranstaltungen zur Geschichte der Philosophie lange vernachlässigte Beiträge von Philosophinnen berücksichtigen? Wie können kanonische philosophische Ideen im Lichte ihrer Rezeption in marginalisierten intellektuellen Traditionen erhellt werden? Welche Beispiele für Seminarpläne und Lehrkonzepte gibt es zu klassischer chinesischer Philosophie, aus der Philosophie der islamischen Welt, aus Japan oder aus verschiedenen afrikanischen Traditionen?
Fragen wie diese werden im Themenschwerpunkt „Diversität in der philosophischen Lehre“ verhandelt, zu dem in den kommenden Wochen und Monaten hier auf LehrGut in loser Reihenfolge Beiträge veröffentlicht werden. Zahlreiche Kolleg:innen sind unserer Einladung bereits gefolgt und haben Texte zu diesem Themenkomplex geschrieben. Die Beiträge werden Lehrenden Anregungen für die Gestaltung ihrer Veranstaltungen bieten oder weiterführende Reflexionen zur Ausrichtung und Entwicklung philosophischer Lehre mit Blick auf Diversität enthalten. Weitere Einreichungen zum Themenschwerpunkt – wie natürlich auch zu allen weiteren Aspekten der philosophischen Lehre – sind herzlich willkommen.
Thematisch ist der Schwerpunkt bewusst breit gefasst, von Überlegungen zur Berücksichtigung einer diverseren Auswahl von Philosoph:innen oder philosophischen Traditionen und Reflexionen zur Kanonerweiterung über Konzepte zur besseren Berücksichtigung einer heterogenen Studierendenschaft in der Lehre bis hin zu Unterstützungsmöglichkeiten für einzelne Studierendengruppen, etwa mit Blick auf nicht-akademische familiäre Hintergründe, Neurodiversität, Gender-Dimensionen oder unterschiedliche Herkunftssprachen.
Unser Anliegen ist es, Räume für neue Vorschläge zu diesen Themen zu schaffen, gleichzeitig aber auch die vielen Konzepte und Ressourcen leichter zugänglich zu machen, die bereits zu Fragen der Diversität in der philosophischen Hochschullehre vorliegen. Denn natürlich sind wir nicht die ersten, die diese Fragen aufgreifen. So gibt es bereits eine AG „Diversität und Philosophie” innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Philosophie. Auch die American Philosophical Association hat vielfältige Ressourcen zum Thema „Diversity and Inclusiveness“ zusammengestellt. Und auf der Seite Diversity Reading List finden sich unter anderem eine Reihe interessanter Blueprints für Textsammlungen von unterrepräsentierten Personen. Obwohl sich diese Ansätze aus dem englischsprachigen Zusammenhang nicht alle ohne Weiteres auf den deutschsprachigen Hochschulkontext übertragen lassen, können wir einen Blick in diese und weitere Ressourcen sehr empfehlen.
Einer zunehmenden Zahl von Lehrenden ist es ein wichtiges Anliegen, sowohl die Vielfalt der Philosophie als auch die Vielfalt der Studierenden in ihren Veranstaltungen stärker zu berücksichtigen. Daher freuen wir uns sehr, dass dazu nun an dieser Stelle Anregungen und Erfahrungen zusammengetragen sowie weitere Reflexionen zur Diversität in der philosophischen Lehre angestoßen werden.
Die Beiträge werden im Rahmen des regulären Blog-Programms erscheinen und einen Hinweis auf den Themenschwerpunkt enthalten. Unter dem Schlagwort „Diversität” sind sie auch im Archiv auffindbar.
Zu den Personen
Anne Burkard ist Professorin für Didaktik der Philosophie und das Fach Werte und Normen an der Georg-August-Universität Göttingen. Sie befasst sich unter anderem im Rahmen des wissenschaftlichen Netzwerks „Argumentieren in der Schule“ mit der Förderung argumentativer Fähigkeiten im Philosophie- und Ethikunterricht. In den Projekten „Philovernetzt“ und „Denkerinnen, die Schule machen“ arbeitet sie mit Kolleg:innen daran, die Vielfalt der Philosophie für den Unterricht besser zugänglich zu machen. Sie ist Mitbegründerin und Redaktionsmitglied bei LehrGut.org.
David Lauer, promoviert und habilitiert an der Freien Universität Berlin, lehrt Philosophie als Privatdozent und unbefristeter wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Aufgabenschwerpunkt Lehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Sein Arbeitsgebiet ist die Theoretische Philosophie mit den Themenschwerpunkten Sprache, Verstehen, Intentionalität, Selbstbewusstsein und Sozialität des Geistes. Regelmäßig schreibt er philosophische Beiträge für Zeitschriften und die Sendung „Sein und Streit“ auf Deutschlandfunk Kultur. Er ist Mitbegründer und Redaktionsmitglied bei LehrGut.org.
David Löwenstein lehrt Philosophie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seine Interessen liegen vor allem in verschiedenen Bereichen der theoretischen Philosophie und der Didaktik der Philosophie. Er leitet das Wissenschaftliche Netzwerk „Argumentieren in der Schule“ und ist Teil des interaktiven Public-Philosophy-Projekts „denXte“, vor allem als Initiator, Koordinator und Co-Host des Podcasts „mitgedacht“. Er ist Mitbegründer und Redaktionsmitglied bei LehrGut.org.
Almut Kristine von Wedelstaedt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Abteilung Philosophie der Universität Bielefeld. Dort ist sie zuständig u.a. für Studienorganisation, Studiengangsentwicklung und Geschäftsführung der Abteilung. Philosophisch arbeitet sie im Bereich der Praktischen Philosophie, momentan meist zu Fragen der Sexualphilosophie. Sie ist Mitbegründerin und Redaktionsmitglied bei LehrGut.org.
Veröffentlicht unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.
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