VON JAN REPPIEN UND VALÉRIE WITTEK (BIELEFELD)
Dieser Beitrag erscheint im Rahmen des Themenschwerpunkts „Diversität in der philosophischen Lehre”.
Das Lesen von Texten ist für eine erfolgreiche Teilnahme am Philosophiestudium unabdinglich. Jedoch haben nicht alle Studierenden denselben Zugang zu den Inhalten der Texte, da beispielsweise Menschen mit Sehbeeinträchtigungen darauf angewiesen sind, dass Texte von einem Screenreader gelesen werden können. Besonders eingescannte Dokumente stellen hier eine Barriere dar.
Dabei wird durch das Grundgesetz, die UN-Behindertenrechtskonvention und das Behindertengleichstellungsgesetz vorgeschrieben, dass alle Menschen das Recht auf eine aktive Teilhabe am öffentlichen Leben und der Gesellschaft haben. Dies betrifft sowohl Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen sowie chronischer oder psychischer Erkrankung.
Auf dieser Grundlage ist die Sicherstellung digitaler Barrierefreiheit auch im Philosophiestudium wichtig, um allen Studierenden die Teilhabe am Studium zu ermöglichen und Gleichberechtigung zu gewährleisten. Zur digitalen Barrierefreiheit im Studium zählen unter anderem der Zugang zu Lernplattformen sowie das Angebot barrierefreier Lernmaterialien, wie zum Beispiel von Texten.
Die Bereitstellung gut lesbarer und Screenreader-kompatibler Literatur ermöglicht es beispielsweise Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, die Texte wahrnehmen zu können. Auch für Personen mit Aufmerksamkeitsdefiziten oder Lese- und Rechtschreibschwächen ist ein visuell gut strukturierter und lesbarer Text wichtig, um einen Zugang zum Inhalt zu erhalten.
Von gut aufbereiteten Dokumenten profitieren grundsätzlich alle Studierenden! Visuell gut strukturierte Texte sind immer besser lesbar. Durch maschinenlesbare Dokumente wird zum Beispiel das Quellenmanagement vereinfacht, da Zitate direkt aus den Texten kopiert werden können. Auch ist es möglich, Texte nach Schlagworten zu durchsuchen und Notizen sowie Markierungen besser anzubringen.
Gerade in der Philosophie liegen viele Texte nicht nativ digital vor, sondern müssen durch Scannen digitalisiert werden. Gescannte Dokumente sind häufig nicht barrierefrei.
Damit ein solches gescanntes PDF-Dokument barrierefrei ist, muss es einige Kriterien erfüllen. Diese für jedes Dokument jeder Veranstaltung zu prüfen, wäre ideal. Wir sind uns bewusst, dass dies wegen des zeitlichen Aufwands nicht von allen Lehrenden für jedes Dokument umgesetzt werden kann. Es gibt jedoch einige Kriterien, die einen großen Einfluss auf die Barrierefreiheit von Dokumenten haben, die Lehrende mit minimalem Aufwand prüfen und auch direkt verbessern können.
Optische Qualität des Scans
Texte sind einfacher zu lesen, wenn der Kontrast zwischen Schrift und Hintergrund so groß wie möglich ist. Auch die Auflösung des Scans ist wichtig, da höhere Auflösungen stärkeres Zoomen ohne sichtbaren Qualitätsverlust erlauben. Dies ist besonders für Personen mit Sehbeeinträchtigungen wichtig. Eine parallele Ausrichtung des Textes zu den Kanten der Seite erleichtert es, den Zeilen beim Lesen zu folgen. Die Qualität des Scans nachträglich zu verbessern, ist sehr schwer. Daher wäre unser erster Tipp an alle Lehrenden: Verwenden Sie etwas mehr Zeit auf die Suche nach guten Scans oder im Idealfall original PDF-Dateien.
Optical Character Recognition (OCR)
Eingescannte Dokumente sind in der Regel zunächst nur eine Reihe von Fotos in einem PDF-Dokument. Das bedeutet, dass die Programme, die zum Lesen des Dokuments verwendet werden, keinerlei Informationen über ihren Inhalt an die Nutzer*innen weitergeben können. Dies unterscheidet Dokumente, die direkt für den digitalen Konsum erstellt wurden, von Scans analoger Dokumente. OCR ermöglicht es mittels automatischer Bildanalyse, den Text in gescannten Dokumenten zu erkennen und im Dokument abzuspeichern. Dieser erkannte Text wird nicht sichtbar über das Bild gelegt, ermöglicht aber zusätzliche Interaktionsmöglichkeiten, wie Suchen und Kopieren, mit dem Dokument. Einige Drucker bieten OCR direkt während des Scanvorgangs an.
nopaque
Sollte es nicht möglich sein, den gewünschten Text als original PDF-Datei oder guten Scan zu erhalten, empfehlen wir die Konvertierung der Datei. Dafür sollten dem Text zunächst OCR hinzugefügt werden, um die Dokumente maschinenlesbar zu machen. Mit dem an der Universität Bielefeld entwickelten Tool nopaque können unter anderem Fotos oder Scans durch OCR in Textdaten umgewandelt werden. Dies ist ein erster Schritt, von dem alle Studierenden profitieren. Die Texte erhalten eine bessere Lesbarkeit, die Möglichkeit Zitate direkt zu kopieren und Textabschnitte durchsuchen zu können.
Nopaque steht allen Personen kostenlos zur Verfügung. Um den Dienst nutzen zu können, legen Sie sich zunächst einen Account an. Unter dem Punkt Optical Character Recognition können Sie das entsprechende PDF unter Angabe von Titel, Beschreibung und Sprache hochladen. Sollte der Text nicht als PDF vorliegen, können Sie Fotos oder Scans vorher durch nopaque in ein PDF umwandeln. Ist nopaque fertig, bekommen Sie eine Mail und können die PDF inkl. des erkannten Textes herunterladen. Beachten Sie bitte, dass das PDF für die Umwandlung auf die Server von nopaque hochgeladen und gespeichert wird. Die Dateien sind aber nur für Sie einsehbar.
rescribe
Wenn Sie Ihre PDFs nicht auf einen Server hochladen wollen, gibt es auch Programme, die lokal auf Ihrem Computer laufen. Eines davon ist rescribe. Rescibe ist kostenlos und steht für alle gängigen Betriebssysteme zur Verfügung. Für Texte in deutscher Sprache müssen Sie lediglich das passende Sprachpaket auf der Website neben dem Programm herunterladen. Beachten Sie, dass OCR ein aufwändiger Vorgang ist, welcher abhängig von der Geschwindigkeit des Geräts etwas Zeit in Anspruch nehmen kann.
Tagging
Durch die OCR haben die Dokumente nun den Inhalt als Text hinterlegt. Schaut man sich philosophische Texte an, bestehen diese zumeist nur aus Text, dennoch vermittelt der Text durch seine Formatierung unterschiedliche Informationen. Das einfachste Beispiel dafür sind Überschriften. Diese haben eine semantisch andere Bedeutung als der Fließtext in dem darunterliegenden Abschnitt. Diese Information kann durch OCR allein nicht erfasst werden. Daher sind Tags nötig. Tags sind wie kleine Schilder, die an Bereiche des Dokuments angehängt werden und auf denen die Bedeutung des Bereichs steht. Für Nutzer*innen, die sich das PDF von einem Screenreader vorlesen lassen, wird so eine Überschrift als solche erkennbar.
Acrobat Accessibility Auto Tag
Um die Scans Screenreader-kompatibel zu machen und somit für Studierende mit Sehbeeinträchtigungen zugänglich zu gestalten, müssen anschließend Tags hinzugefügt werden. Tags zu einem PDF hinzuzufügen ist leider weniger leicht automatisierbar als das Erkennen von textuellen Informationen. Es gibt nur wenige Programme, welche dies überhaupt können. Der komfortabelste Weg ist die Verwendung von Adobes Accessibility Auto-Tag. Dies ermittelt mithilfe einer KI, welches Tag zu welchem Teil des PDFs gehört. Wie bei allen KI-gestützten Tools variiert die Qualität der Ergebnisse stark. Unserer Erfahrung nach sind die automatisch getaggten PDFs immer barrierefreier als die ungetaggten. Sollten Sie PDFs haben, die sehr häufig eingesetzt werden, würden wir empfehlen, die automatischen Tags als Ausgangspunkt zu nehmen und diese dann händisch zu verbessern.
Wenn Sie beispielsweise Acrobat Reader Pro haben, können Sie das Autotagging dort unter „Barrierefreiheit vorbereiten“ nutzen. Wenn nicht, können Sie dennoch kostenlos zehn PDFs pro Tag (Stand 30. Januar 2025) auf der Website von Adobe automatisch taggen lassen. Bitte beachten Sie, dass die PDFs auf beiden Wegen immer auf die Server von Adobe hochgeladen werden.
Barrierefreiheit von digitalen Dokumenten ist wichtig und verbessert das Lesen für alle! Es bedeutet aber auch etwas mehr Aufwand bei der Erstellung. Wir haben in diesem Post drei der vielen Kriterien für barrierefreie Dokumente vorgestellt und kurze Impulse gesetzt, wie mit möglichst geringem Aufwand die größtmögliche Verbesserung der Barrierefreiheit Ihrer Texte erreicht werden kann.
Nützliche Links
https://nopaque.uni-bielefeld.de/
https://acrobatservices.adobe.com/dc-accessibility-playground/main.html
Zu den Personen
Valérie Wittek ist studierte Philosophin und Sozialwissenschaftlerin. Sie arbeitet seit Mai 2024 beim Kompetenzzentrum barrierefreie digitale Hochschulverwaltung.NRW an der Universität Bielefeld. Dort vernetzt und berät sie verschiedene Hochschulen mit einem Fokus auf barrierefreie Verwaltung.
Jan Reppien ist studierter Informatiker und Philosoph. Er arbeitet ebenfalls beim Kompetenzzentrum barrierefreie digitale Hochschulverwaltung.NRW. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Entwickeln und Testen von barrierefreier Software sowie der Beratung von Entwickler*innen zu diesem Thema.
Veröffentlicht unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.
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